"Leicht ums Herz" oder: "Was für komische Vögel"

Wie jedes Jahr zum Halbjahreswechsel standen auch im Studienseminar Stade (Lehramt für Gymnasien) Zeugnisse an, und so wurde im Januar 2020 der erste Jahrgang der "Zwanziger Jahre" mit dem heiß ersehnten Examenszeugnis in das Berufsleben verabschiedet. Einige Absolventen konnten sich zusätzlich über Zeugnisse für "Darstellendes Spiel", "Medienpädagogik" oder "Bilingualer Unterricht" freuen, nämlich den am Seminar angebotenen Zusatzqualifikationen, die sie mit zusätzlichem Einsatz, in der Regel nach Feierabend oder an Wochenenden erworben hatten. Den Feierlichkeiten in der Aula des Gymnasiums Athenaeum Stade ging wie auch in den letzten Jahren ein Ökumenischer Dankgottesdienst in der St. Cosmae-Kirche zu Stade voraus, den die Fachgruppe Ev. Religion mit Herrn Schulpastor Dr. Dominik Wolff (KGS Drochtersen) und ihrem Fachleiter StD Christoph Behrends vorbereitet hatte. 
 
Unter dem Motto "Leicht ums Herz" feierten die knapp 80-100 Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Gottesdienstes in der Cosmae-Kirche die neu gewonnene Leichtigkeit des Seins mit erfolgreich abgeschlossener Berufsausbildung. Unter den musikalischen Wohlklängen der weltberühmten Arp-Schnittger-Orgel, wie schon mehrfach zur großen Begeisterung der Zuhörer gespielt von Kirchenmusiker Prof. Böcker, wurden die Besucher zunächst per Sprechmotette ins Thema eingestimmt: Referendare seien in mancher Hinsicht mit "Vögeln" zu vergleichen. Alleine oft hilflos, seien sie im Schwarm intelligent und stark, und wenn sie fehlten oder wie aktuell ihre Zahlen drastisch sänken, hinterließen sie eine kaum noch zu schließende Lücke. 
 
In seiner Predigt über Matthäus 6,25-27 (Bergpredigt) griff Schulpastor Dr. Dominik Wolff die schulische Bildsprache auf und verglich Jesu Trostpredigt ("Sorget nicht") mit einer Lehrprobe. 
 
Jesus selbst sei tatsächlich von seinen Mitmenschen oft als "Lehrer" (Rabbi) bezeichnet worden, und die "Jünger Jesu" seien wie schon die Angehörigen der alten Philosophenschulen Griechenlands sprachlich gesehen "Schüler" (μαθητής) gewesen. Wie in der Schule sei es geboten, Jesu Botschaft kritisch zu lesen, zumal sie der unmittelbaren Lebenserfahrung zumindest auf den zweiten Blick deutlich widerspreche. Wollte Jesus also einer romantischen Schwärmerei nachgeben? Jeder wisse doch aus Erfahrung, dass man nicht ohne Nahrung und Kleidung auskomme, und eine gewisse Vorsorge bleibe insofern unverzichtbares Lebensprinzip. 
 
Ein wertschätzender Blick auf die "Lehrerpersönlichkeit" Jesu sowie eine Betrachtung des Schlussverses ("Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit") zeige jedoch den Tiefgang und die persönliche Glaubwürdigkeit der Botschaft Jesu: Wer wie Jesus sein eigenes Leben für andere opfere, sei persönlich glaubwürdig, wenn er uns ermutige und im Glauben befähige, ebenfalls loszulassen und die ängstliche, sehr oft nutzlose Sorge im Vertrauen auf Gott wenigstens ein bisschen zu überwinden. Den Examinierten sprach Pastor Wolff den Segen Gottes zu, der auch dann Mut mache und trage, wenn man im Lehrerzimmer zuweilen auch "recht komische Vögel" antreffe. 
 
"Leicht ums Herz" und beschwingt von der nun deutlich von Pop und Jazz dominierten Musikfarbe, wie immer höchst unterhaltsam vorgetragen von der Fachgruppe Musik unter Leitung von StD Frank Münter, mögen sich auch die Feiernden in der Aula des Athenaeums Stade gefühlt haben, als ihnen Seminarleiter OStD Martin Gäb im Beisein des früheren Seminarleiters, OStD i.R. Ulrich Amthor, dem letzten Kurs, den Amthor noch selbst im Amt vereidigte, die Zeugnisse austeilte. Stade habe im Vergleich etwa zum großen Nachbarn Hamburg zwar den Ruf eines "schweren" Seminars mit besonders hohen Leistungsanforderungen. Aber wer "in die Erste Liga" wolle, müsse bereit sein, auch unbequeme Zeiten und Lektionen zu meistern und dürfe nicht aus Bequemlichkeit vermeintlich "leichtere" Ausbildungsgelegenheiten anstreben. (Ob in dem von Herrn Gäb gewählten Bild der "Erstklassigkeit" auch ein Seitenhieb auf das glücklose Agieren des nur noch Zweitligisten Hamburger SV zu erkennen war, konnte während der Feier nicht abschließend geklärt werden!) Trotz der hohen Leistungsanforderungen erfreue sich das Studienseminar Stade ("Ich weiß, dass Sie alle diese Statistiken lieben!") jedoch auch in diesem Durchgang wieder eines landesweit überdurchschnittlichen Notenspiegels von 2,4! 
 
Den frisch verabschiedeten Examinierten gab Gäb außerdem noch eine Buchempfehlung mit auf den Weg: 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert von Yuval Noah Harari biete zahlreiche Inspirationen und Erkenntnisse, die gerade in der Schule hilfreich seien. Im Hinblick auf Digitalisierung und drohende Vereinsamung der Menschen lenkte Gäb die Aufmerksamkeit besonders auf Kapitel 5 des Buches, das dem hohen Stellenwert menschlicher Gemeinschaft gewidmet sei. Fast alle Gegenwartsprobleme ließen sich demnach auch als Zerfall von Gemeinschaft beschreiben: Parteien, Kirchen, Feuerwehren und viele andere Einrichtungen seien betroffen. Schule sei auch ein Ort der Gemeinschaft von Menschen, die von Lehrkräften maßgeblich geprägt und stets verbessert und weiterentwickelt werden müsse. Das gelte im Übrigen auch für ein Studienseminar, das nicht "stehenbleiben" könne.
 
Für die Schulleiter des Seminarbezirks richtete OStD Martin Niestroj (Athenaeum Stade) ein Grußwort an die Festgemeinschaft. Auch er hatte "Buchempfehlungen" im Gepäck, die jedoch eher belustigenden Charakter hatten, skizzierten viele Bestseller Schule doch viel zu oft als Ort der Angst, dem man nur durch Flucht entkommen könne. Richtig sei aber auch, dass zahlreiche Abordnungen und andere Langzeitbelastungen die Gesundheit von Lehrkräften unzulässig beeinträchtigten. Den jungen Absolventen und Absolventinnen wünschte Niestroj u.a. "verständnisvolle Schulleiter", die zu schätzen wüssten, was ihre Kollegien täglich leisteten. 
 
Für den Landkreis Stade sprach als Nachfolger von Dr. Lanz der neu eingeführte Erste Kreisrat Thorsten Heinze, welcher zugleich auch die begehrte Prämie für die beste Hausarbeit in den Bereichen "Außerschulische Lernorte" bzw. "Innovatives Lernen" überbringen durfte. Der Preis ging in diesem Frühjahr an den Fachbereich Französisch, wo Frau Selina Mardt mit einer schriftlichen Ausarbeitung zur Schulung der interkulturellen Kompetenz während einer Austauschreise nach Frankreich überzeugt habe. Die Laudatio hielt ihr Fachleiter, StD Hendrik Heizmann. Heintze wies am Rande der Ansprache noch darauf hin, wie beneidenswert der gelungene festliche Rahmen der Examensfeier sei. Seine "Examensfeier" als Jurist habe nur in einem kurzen Gespräch mit dem Postboten bestanden, der ihm das Examenszeugnis überbracht habe.
 
Für die Examensgruppe bedankte sich Frau Katharina Schuncke bei Angehörigen, Freunden, Mitauszubildenden und Ausbildern für die Unterstützung während des Referendariats. Einen Zusatz-Applaus gab es an dieser Stelle für unsere Sekretärin Frau Hoops, deren unermüdlicher Einsatz den einer durchschnittlichen Bürokraft deutlich übersteige. Zur zeitlichen Entzerrung der Entlassungsfeier wurde in diesem Jahr auf eine Ausbilderrede verzichtet. Die Feierlichkeiten wurden um 13 Uhr mit Beginn des inoffiziellen Teils abgeschlossen. Wir wünschen allen "Vögeln" des "Vogelschwarms 08/18" einen "guten Flug". 
 
 
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